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Marakei o Marakei


Anfang Januar war es soweit. Es gab wieder ausreichend Benzin auf der Insel, um mit dem Auto zu fahren oder die Insel mit einem Flugzeug oder Boot zu verlassen, sodass auch unserem geplanten Ausflug nach Marakei nichts im Wege stand. Anfang November lernten wir eine Frau mit ihren zwei kleinen Mädchen kennen, die für einige Wochen mit uns auf dem Kirchengelände in Antebuka lebten und uns zu sich eingeladen hatten. Die Reise zu der ringförmigen Insel mit Lagune in der Mitte war für uns aber schon ein Abenteuer an sich, denn das Flugzeug ist kein für uns gewöhnliches, sondern en ziemlich kleines, in dem gerade mal dreizehn Leute Platz finden. Schon beim Einchecken merkten wir, dass es kein üblicher Flug werden würde. Nicht nur, weil die Uhrzeit für das Check-In innerhalb eines Tages um dreimal Coconut-Time getreu verschoben wurde, sondern auch, weil man sich vorher mitsamt Gepäck auf eine Waage stellen musste. Generell herrschte ein großes Chaos in dem ziemlich kleinen überfüllten Flughafen: Gegenstände und Kinder wurden rumgereicht, Familien verabschiedeten sich, brachten meist noch Eimer mit Lebensmittel mit und fanden sich in dem Getümmel nur schwer wieder. Grundsätzlich erweckt es aber den Anschein, als sei das Zum-Flughafen-Bringen von Freunden und Familie etwas ganz besonderes in Kiribati. Ein Zusammentreffen besonderer Art, was ich als wahnsinnig liebevoll empfinde. Denn eigentlich, würde man den Weg zum Flughafen selber finden, aber mit einigen lieben Menschen und einem Picknick vorm Flughafen, kann man das Warten gleich viel schöner gestalten.

In Marakei wurden wir schon freudig von der Familie erwartet und lernten nun auch den Vater der Familie kennen, welcher in einem Dorf Pastor ist und sich bei sich zu Hause wohnen ließ. Da die Weihnachtszeit noch nicht ganz vorüber war, feierten wir noch eine Nacht mit der Gemeinde in der örtlichen Maneaba das Ende der Weihnachtszeit. Am nächsten Tag ging es direkt weiter in das Heimatdorf der Familie und kurz darauf auf eine Rundtour der Insel mit dem Motorrad, was auf dieser Insel als Neuankömmling absolute Pflicht ist! Etwas, was bei der Tour absolut nicht fehlen darf, ist genügend irischer Tabak, um die vier Frauen bzw. deren Geister gnädig zu stimmen, damit der Aufenthalt auf jener Insel ein glücklicher sein wird. Vor der Missionierung der Insel waren diese vier alten Damen, die heute noch symbolisch als Statuen in regelmäßigen Abständen verteilt sind, der einzige Glaube, an dem die Einheimischen festhielten. Jede Dame von ihnen spielte dabei eine ganz besondere Rolle, aber nur gemeinsam war oder ist es ihnen möglich, die Insel vor Unheil zu bewahren.

Eine wichtige Regel ist außerdem, dass man die Insel entgegen des Uhrzeigersinns umrundet. Im 17. Jahrhundert wagten laut Aussagen der Einheimischen zwei Salomonen ihr Glück. Sie trennten sich und jeder ging in eine andere Richtung. Der eine Mann jedoch, der sich dafür entschied, Richtung Uhrzeigersinn zu laufen, kam nie wieder zurück. So stand für uns schon mal die Richtung fest, in die wir keinesfalls gehen wollten.

Für uns ging es dann mit zwei Motorrädern, den beiden Elternteilen der Gastfamilie, selbstgemachten Blumenkränzen von Frauen der Gemeinde und einer ganzen Menge irischen Tabak los. Für uns war es ein wirklich spannendes Erlebnis, denn allzu oft kommen wir mit dem Glauben an Geister nicht in Berührung, seit unserer Zeit auf Kiribati aber immer öfter.

Die erste Dame war von vielen Palmen umgeben, ihr aus Lehm geformter Kopf auf einem Sockel aufgestellt. Innerhalb des Sockels befand sich ein kleines Fach mit einer geöffneten Muschelschale drin, in welche man ein Stück des irischen Tabaks reinlegt. Ebenfalls glichen alle anderen Damen diesem Aufbau. Bei der ersten Dame wurde dann noch für Kokosnussvorräte für die Weiterreise gesorgt und natürlich noch ein Beweisfoto gemacht.

Bei der zweiten Dame wieder das gleiche Prozedere, mit dem Unterschied, dass die Statue neben dem Meer gelegen war und es Pflicht ist, zum Wasser runterzulaufen und sich mit Sand das Gesicht einzureiben. Nicht nur für die Dame selbst, sondern auch für die anderen Einheimischen der Insel, für die der Sand als Erkennungsmerkmal gilt und sie daran erinnern soll, auf uns Acht zu geben, was in der Tat einige Menschen taten, in dem sie uns anhielten und auf eine Kokosnuss oder einen Kaffee bei sich in der Buja einluden. Im Gegenzug dazu, hatten wir immer etwas irischen Tabak dabei.

Nachdem wir auch die dritte und vierte Dame der Insel besuchten, waren wir nach einigen Stunden wieder am Anfangspunkt angekommen. In der Buja der Familie spielten wir noch etwas Ukulele und lernten noch das Lied der Insel kennen. Am Nachmittag ging es dann mit dem Boot in die berühmt-berüchtigte Lagune. Beim Baden stießen wir auf eine Menge bunter Fische und wunderschöne Muscheln. Bei Sonnenuntergang ging es wieder zurück, sodass noch am Abend Zeit blieb, das Dorf noch etwas kennenzulernen bevor das gemeinsame Essen mit der Familie und ein paar weiteren abendlichen Gästen anstand. Es gab unterschiedliche traditionelle Gerichte, die Frauen aus dem Dorf gemeinsam vorbereitet hatten. Eine Tradition, die im Dorf reihum geht: jede Woche versorgt ein anderes Haus die Familie des Pastors mit Gesellschaft und mit Bekochen. Auf North Tarawa haben wir es auch erlebt, dass bei der alleinstehenden Pastorin, die uns für ein paar Tage aufgenommen hatte, die Familien sogar bei ihr mit im Haus übernachteten. Ich glaube, dass es nicht viel mehr Möglichkeiten gibt, um diese Art der Nächstenliebe auszuleben.

In der Nacht schliefen wir alle gemeinsam in der Buja draußen. Schon nachts zog ein Unwetter auf, welches glücklicherweise eine Menge neues Regenwasser im Gepäck hatte, was unsagbar wichtig ist, denn wie bereits in einem Beitrag erwähnt, neigen sich die Regenwasserbestände, die zum Trinken und Kochen genutzt werden, langsam dem Ende zu.

Am nächsten und letzten Morgen machten wir uns noch auf gemeinsame Krebsjagd. Mitgebracht wurden Eimer und Spaten um in den Mangroven herum, die Löcher der Krebse aufgraben zu können. Mangroven sind Pflanzen, die vor allem im Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen, wahnsinnige Wurzeln schlagen können und von den Einheimischen insbesondere in Küstenbereichen gepflanzt werden, um der Flut hoffentlich entgegenwirken zu können. Nachdem unser Eimer schon gut gefüllt war, was nicht letztlich der Verdienst der erfahrenen Einheimischen war, wurden wir aus der Ferne schon gerufen, dass unser Flug aufgrund des Unwetters schon am Morgen gehen sollte. Wie das aber mit der Coconut-Time mal so ist, ging der Flug erst am Nachmittag, sodass noch genügend Zeit blieb, mit der Familie am Flughafen zu picknicken und sich zu verabschieden, der für mich überraschenderweise sehr tränenreich ausfiel, da uns die Familie nur sehr ungern weiterziehen ließ. Jedenfalls wollen sie uns demnächst auf Tarawa besuchen kommen und darauf freuen wir uns schon sehr.


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