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"Nachts sind alle Katzen grau."

Nachts sind alle Katzen grau. - Ein Sprichwort, welches vielen geläufig sein wird. Wenn man hinter die Bedeutung dieser Worte schaut, heißt es nichts anderes, als dass wir spätestens, sobald es dunkel wird, gleich sind. Keiner kann uns aufgrund unserer Farbe unterscheiden. Aber was für eine Bedeutung kann Farbe bzw. Hautfarbe überhaupt haben, auch am Tag? Etwas anderes, worüber ich mir vorher kaum Gedanken gemacht habe, um ehrlich zu sein. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich damit aufgewachsen bin, keine Unterschiede zu machen und es völlig normal ist, im Bus oder in der U-Bahn auf die unterschiedlichsten Kulturen zu treffen. Hier werde ich tagtäglich mit diesem Thema konfrontiert und kann viele Fragen, die sich mir zu diesem Thema stellen, noch nicht zufriedenstellend beantworten. Klar, ist mir der Rassismus ein Begriff.

Wobei ich mit der Verwendung des Begriffs Rassismus in Zusammenhang mit Kiribati eher vorsichtig sein sollte, da dieser hier eine ganz andere Bedeutung hat. Glatt würde ich die Form des Rassismus als "positiven Rassismus" bezeichnen wollen, denn es steckt keinesfalls eine boshafte Absicht dahinter. Wie uns ein Ethnologe, der für zwei Wochen aus Japan hier war, erklärte, ginge es viel mehr um die ursprüngliche religiöse Geschichte, in der es ein Hellhäutiger gewesen sein soll, der das Licht ins Dunkel auf die Inseln Ozeaniens gebracht haben soll. Seitdem hat diese Hautfarbe seine Bedeutung und wird von vielen Einheimischen bis heute mit Freuden begrüßt. Allerdings, und das ist etwas, was ich an diesem Land sehr bewundere, werden alle Gäste, egal welcher Herkunft gleich herzlich willkommen geheißen und mit einem Begrüßungsfest in der Gemeinde aufgenommen. Unterschiede werden in dieser Hinsicht gar nicht gemacht. Doch trotz allem empfinde ich ehrlich gesagt diese permanente Aufmerksamkeit manchmal als anstrengend. Manchmal scheint es auch geradeso, als würden sich die Einheimischen selbst degradieren, was mich immer noch zum Teil ziemlich erschreckt und vor allem am Anfang vor einige unangenehme Situationen gestellt hat. Noch nie zuvor ist mir meine Hautfarbe so bewusst geworden. Wenn ich in einen vollen Bus steige, muss niemand und vor allem keine alte Frau aufstehen, nur, damit ich nicht stehen muss. In der Kirche ist es wirklich lieb gemeint, dass im hinteren Bereich Stühle aufgestellt werden, aber ich kann mich genauso wie alle anderen auch auf den Fußboden setzen. Wenn die Gemeinde gemeinsam isst, dann muss ich nicht als erstes essen, bis sich die Männer und ganz zum Schluss, wenn die Männer aufgegessen haben, die Frauen etwas nehmen dürfen und schließlich die Kinder. Und vor allem, ich weiß nicht alles besser, nur weil ich aus einem anderem Land stamme. Dies sind nur einige auszugshafte Beispiele und natürlich spreche ich nur von Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe. Was mich so beschäftigt, ist, dass eine so alte Sage noch immer Aktualität findet. Jeden Tag wird mir aufs neue klar: Auch wenn ich nicht auffallen möchte, so tue ich es allein schon durch mein Aussehen bzw. durch meine Hautfarbe. Oft vermisse ich die gewohnte Anonymität in Deutschland. Einfach durch die Straßen gehen, ohne dass einem an jeder Ecke hinterhergerufen, hinterhergepfiffen wird oder beim Fahrradfahren einem Kinder hinterherrennen. Man ist hier selten allein, selbst, wenn man sich nach draußen zum Lesen ans Wasser setzt. Es ist einfach eine ganz neue Erfahrung, ein ganz anderer Umgang, auf den es sich erstmal einzulassen und zu gewöhnen gilt. Ich denke nicht, dass diese "Sonderstellung" sich jemals für mich normal anfühlen könnte, doch weiß ich diese Form der Aufmerksamkeit zu schätzen und würde sie aus demselbigen Grund niemals verfluchen. Ich bewundere diese Offenheit und Herzlichkeit der Menschen in diesem Land sogar sehr, selbst, wenn es manchmal skurril erscheinen mag.


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